DFG-Projekt "Eheprozesse vor dem Freisinger Offizialat im späten Mittelalter"
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Eine Frau geht shoppen

(Duane Henderson)

Im Jahr 1472 traten Anna Näger bzw. Preisinger und der Pleban der Gemeinde Jetzendorf namens Peter vor das Freisinger Gericht. Der Pleban, der von seiner Prozessgegnerin vor Gericht zitiert worden war, erhob seinerseits eine Gegenklage, dass die „Preisingerin“, seine frühere Dienstmagd, ihm eine große Menge Geld schulde - nämlich die Summe von 12 Pfund 19 Pfennig. Er reichte dazu eine lange Liste von Einkäufen ein, welche Anna Preisinger 1470-1471 auf seine Kosten gemacht habe1. Wie aber konnte es dazu kommen, dass die Dienstmagd auf eine solche Einkaufstour „mit der Kreditkarte“ des Plebans ging? Die Antwort lieferte die Klägerin in ihrer Klageschrift2: Als Dienerin wurde sie nämlich von Pleban Peter verführt und entjungfert. Da eine Ehe mit dem Geistlichen nicht in Frage kam, war sie vor ein geistliches Gericht gezogen, das ihr eine „Deflorationsentschädigung“ in der Höhe von 8 Pfund zusprach. Zudem hat sie weiterhin im Dienst des Plebans gearbeitet, der ihr dafür aber das Gehalt nicht bezahlt hatte. Die Parteien erklärten sich schließlich bereit, den Streit durch einen richterlichen Schiedsspruch beizulegen: Der Richter befand, dass der Pleban seiner Dienstmagd die ausstehende Entschädigung und ihr Gehalt abzüglich der von ihr gemachten Schulden zahlen musste, und bezifferte die Summe auf erhebliche 30 Florin3.

Eine instruktive Lektüre zum spätmittelalterlichen Konsumverhalten bietet die Liste der Gegenstände, welche Anna Preisinger zu Lasten ihres geistlichen Dienstherrn gekauft hatte:

Man zählt nicht weniger als sieben Paar Schuhe (und dazu auch noch Schulden beim Schuster in Glan [Glonn]), zudem ein Paar Filzschuhe:


item XVIII den. umb ain par schuch vom Minichen

item XVI den. gen Scheiren umb ainem par schuch

item LXI den. umb iii par schuech vom Semler von Freysing

item XXXIIII den. gelihen zu Perichterzhausen umb schuech

item XVIII den. umb ain par schueh hat ir mein knecht gen Tarsch pracht

item III sol. den. gelihen erayt [vielleicht gerayt, perayt =abgezählt] damit hat sy den schuester von Glan und den Pekchen von Weychs pezalt ir schuld

item XLIII den. umb zwey vilzschuech; dy hat sy noch

 

zwei Gürtel:
item XX den. umb ein guertel von Landshut

item V den. esto iar [=1472] dar umb hat sy ein gurtel kaufft won der Kramerin in Yeczendorff

 

zwei Hüte:
item IX den. umb einn scheb huet hat sy
[…] kaufft

item XXVI um ainn vilcz huet und scarff

 

Handschuhe:
item X den. um zweii weyß hantschueh

 

ein Mantel:
item XIIII sol. umb das swarz mantel tuech und XV den. zu machen
[…]

 

Schleier:
item VI sol. gelihen ir darumb hat sy vom Eberl Weber einn slayr kaufft

item XXXII den gelihen um einen zwifachen slayr von der Mulnerin von Volk kaufft

 

zwei Rosenkränze:
item XII den. umb ain gruown
[=grünen] pater noster

item XX den. gelihen an die Jacobi um einn swaren pater noster von Munichen, den hat sy noch

 

allerlei Ausgaben auf Hochzeiten, in Wirtshäusern oder in der Fastnacht:
item VI den. ain kauf auff ain hochzeit da wider sy myr geredt hat

item XIII den. gelihen in der taferen [=Taverne] czu Yetzendorff

item VII den. geben dem wirt zu Weichs

item XIII den. gelihen in peraytem geld fryd [vielleicht eine Abkürzung für Freitag] in der vasthnacht zu Scheiren pey der Fraw von Kramer

 

dazu auch fromme Gaben:
item II den. opfergelt zu Pfingsten in die

 

und nicht zuletzt auch das Geld, um den Pleban selbst vor Gericht zu zitieren:
item XXX den gelihen gen Freyssing pro citacione

 

 

1 Bistum Freising, Offizialat 8, f.54r-54v.
2 Ebd., f.65r-067v.
3 Ebd., f.68r.


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