DFG-Projekt "Eheprozesse vor dem Freisinger Offizialat im späten Mittelalter"
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Man isst Fleisch

Man isst Fleisch (außer an Frei- und Feiertagen)

(Ullrich Lindemann)

Einen kleinen Einblick, was in einer kirchlichen Institution auf den Tisch gekommen ist und was das Ganze so gekostet hat, kann man einem langwierigen Prozess entnehmen, der 1471 vor dem Freisinger Offizialatsgericht seinen Anfang genommen hat[1]. Die Münchner Weinhändler Albrecht Offinger und Jakob Wetzel sowie der Fischer Ägidius (Gilg) Haindel zogen vor Gericht mit einer Klage gegen die geistlichen Herren Ludwig Arb, Johannes Dornvogt und Johannes Käswassrer, die während der Vakanz des Rektorats der Pfarrkirche St. Peter in München von Ende Dezember 1465 bis zur Einsetzung des neuen Rektors, Ulrich Arsinger, 1466 als Administratoren in spiritualibus et temporalibus fungierten. Während dieser Zeit hatten sie, so die Kläger, sämliche victualia et necessaria für ihr leibliches Wohl auf Kredit liefern lassen, die Zeche aber nicht bezahlt. Die Kläger forderten daher die Erstattung des Werts ihrer Waren: Offinger verlangte 21 Pfund, 6 Schilling für seinen Wein, Wetzel weitere 3 Pfund, 86 Pfennig für Wein und Haindel 7 Pfund, 6 Schilling und 5 Pfennig für den guet visch, den er geliefert hatte. Zum Beweis beriefen sie sich auf ein Rechnungsbuch der täglichen Lebensmittellieferungen, das die Administratoren zu führen verpflichtet gewesen waren. Im Verlauf des Prozesses wurde ein deutschsprachiges Dokument vorgelegt, das die über einen Zeitraum von knapp zwei Monaten vom 7. Januar bis zum 1. März 1466[2] nahezu täglich eingehenden Lieferungen namentlich genannter Lieferanten samt Preisen und Terminen auflistet. Aufgeführt sind in dieser Rechnung lediglich die tierischen Nahrungsmittel, zum Teil unter Angabe der genaueren Tiersorte oder der Art der Zubereitung.

Das Dokument bietet unter anderem interessante Auskünfte über die Essgewohnheiten des Münchner Stadtklerus im 15. Jahrhundert, die eine wertvolle Ergänzung zu den klösterlichen oder bischöflichen Rechnungsbüchern als Informationquelle zum klerikalischen Lebensmittelkonsum darstellen. So aßen die Beklagten (wahrscheinlich mit ihren Dienern oder Familiaren) zwar immer freitags Fisch (beliebt waren Äsche, Karpfen, Hechten, Nasen und Renken), doch anderentags verschlangen sie bemerkenswerte Mengen an Fleisch: Zum Beispiel konsumierten sie in der Woche vom Samstag 11. zum Donnerstag 16. Januar 62 lb. Rindfleisch, 3 Kalbsbraten, 2 Kalbsbrüste, 1 Kalbskopf, 2 Lambraten, 3 „Lambstücke“, 1 „Lambseite“, 1 Schweinebraten, 1 Portion Schweinefleisch in ainem pfeffer, 6 Leberwürste und schließlich einen Karpfen und zwei Hechte. Deutlich erkennbar dagegen sind die Fastentage, an denen nur Fisch gegessen wurde: Schlagartig mit Aschermittwoch (Mittwochen Äscher: 19. Februar 1466) kam nunmehr ze morgen und abent Fisch auf den Tisch in verschiedenen Kocharten: zu sieden, als krautvisch oder als stockvisch.

[167v:]

Erchtag:
Item umb ain gantz lamp Purgkholtzer XXIIII d.
Item umb XX lb. rindfleisch Vager XL d.
Item umb eytter und zungen Vager XII d.

Mittwochen:
Item umb IIII kelbren praten und II hawpstuck und I gratt von ainem kalb Matheus metzger XLIII d.

Pfintztag:
Item umb kalbfleisch und II praten zenacht Veichten XXIX d.

Freytag:
Item umb ain karpffen[3] Heyssen vischer XLV d.
Item umb IIII hechten[4] und nasen[5] zepachen V ß d. dem Gilig Hayndl

Sambtztag:
Item umb XX lb. rindfleisch Vager XL d.
Item umb II kelbren praten und II brust von ainem kalb Mathes metzger XXXII d.
Item ain kalbskopff Matheus Metzger VIII d.
Item ain kärpffen Heyssen LV d.
Item II hechten zenacht Gilig Hayndl LX d.

Suntag und Montag:
Item XXXII lb. rindfleisch Wolkhart LXIIII d.
Item ain lempraten und I lampstuck Wolfhart XIIII d.
Item ain kelbren praten und ain lampstuck Poldner XVI d.
Item ain lampseyten Prenner XIIII d.

Erchtag und Mitwochen:
Item umb X lb. rindfleisch Vager XX d.
Item I lempraten Vager VIII d.
Item I sweinenpraten und sweinens fleischs in ainem pfeffer und VI leberwurst Heygel metzger I ß d.
Item III lampstuck Hannsen Sweindels knecht XX d.
Item I kelbren brust und I kalbskopff Hannsen Sweindels knecht XIIII d.

Pfintztag und Freytag:
Item II hechten und III nasen Gilig Haindl LXXX d.
Item II stuck stockvischs[6] Gilig Hayndl X d.
Item III hechtel[7] und III nasen ad coll[aci]o[ne]m Gilig Haindl XL d.

[168r:]

Sambstag:
Item umb ain kärpfen Heysen L d.
Item I hechten zenacht Hueber vischer XLV d.
Item XX lb. rindfleisch Vager XL d.
Item II leberwürst und IIII lb. sweinens fleischs Käswassrer in das krawt XVI d.
Item ain kelbren praten und I prust von ainem kalb XVIII d.
Item I kalbskopf VIII d. Poldner
Item I gantz lamp XXVIII d.[8]
Item I lempraten Vager XII d.

Suntag und Montag:
Item XX lb. rindfleischs Vager XL d.
Item I lempraten XII d.
Item I gantz lamp Vager XXXVI d.

Erichtag und Mittwochen:
Item XX lb. rindfleisch Purckel XL d.
Item Prenner metzgar IIII kelbren praten und ain kalbskopff XXXI d.

Pfintztag:
Item ain lampseyten Stapfelman XVI d.

Freytag:
Item umb XI äschell[9] und III hechtel Chuntz Haindl LXVIII d.

Sambstag:
Item XXII lb. rindfleisch Vager XLIIII d.
Item I hechten Gilig Haindl XL d.
Item I gantz lamp Poldner XXVIII d.
Item IIII kelbren praten Poldner XXXII d.
Item I lempraten Vager X d.
Item I kalbskopf Poldner X d.
Item I hechten zenacht Gilig Haindl L d.

Suntag und Montag:
Item X lb. rindfleisch Gschray XX d.
Item I kelbren praten und I stumpf von ainem kalb XVIII d.
Item I lampseyten jung Arnoldt XVI d.

Erichtag:
Item XVII lb. rindfleisch Vager XXXIIII d.

[168v:]

Mitwochen:
Item II kelbren praten und II pug von ainem kalb und I lampseyten Michel Frantzen swager XLVI d.
Item I gantz lamp Matheus metzger XXXII d.

Freytag:
Item II hechten und IIII nasen Gilig Haindl LXXX d.
Item umb rencken[10] zenacht Gilig Haindl XXXII

Sambstag:
Item umb I gantz kalb Matheus metzger LXI d.
Item I lamp Prenner XXXII d.
Item I pragsen[11] und ain halbe Gilig Haindl L d.
Item III stuck stockvischs XII d.

Suntag und Montag:
Item XXV lb. rindfleisch Vager L d.
Item II lempraten Vager XXII d.

Erichtag:
Item III lampstückell jung Rosenperger XXIIII d.

Mitwochen:
Item I lamp Jobst Gschray XL d.

Pfintztag:
Item I lampseyten ze sieden und praten zenacht Jobst Gschray XX d.

Freytag:
Item IIII hechten ze sieden und pachen Huber vischer LXIIII d.
Item II hechten zenacht Gilig Haindl XXXVI d.

Sambstag:
Item II hechten ze sieden Gilig Haindl XLIIII d.
Item II hechten zenacht Mock vischer L d.
Item XXXIIII lb. rindfleisch Vager XLVIII d. und I lempraten VI d.
Item III kelbren praten jung Arnolt XXV d.
Item I lamp iung Arnolt XL d.

Suntag und Montag:
Item XXX lb. rindfleisch Vager LX d.
Item I lempraten Vager VIII d.
Item I lamp Prenner XXXII d.

Erichtag und Mitwochen:
Item I lamp Prenner XXXII d.
Item II kelbren praten Prenner XVI d.

[169r:]

Pfintztag:
Item I lampstuckl ze sieden Prenner VIII d.

Freytag:
Item I hechten III nasen und III stuckl stockvischs Gilig Haindl LXXXI d.
Item II hechtel III nasen zenacht XXXVI d. Gilig Haindl

Sambstag:
Item II hechten Gilig Haindl XLVI d.
Item II hechten zenacht Gilig Haindl XLIIII d.
Item XVI lb. rindfleisch Vager XXXII d.
Item I gantz kalb Vager XVII d.
Item I lamp Vager XXXVI d.
Item I kalbskopff Vager VI d.

Suntag und Montag:
Item I lamp Jobst Gschray XXIII d.

Erichtag und Mittwochen Äscher:
Item II hechten II nasen I stuck stockvisch Gilig Haindl LXXIIII d.

Pfintztag:
Item umb hechtel, pachvisch[12] und stockvischs Gilig Haindl LVI d.

Freytag:
Item umb rencken zu sieden und zu dem krawt und stockvischs Gilig Haindl LX d.

Sambstag:
Item II hechtell, stockvischs und rigling[13] Gilg Hayndl LXIIII d.

Suntag Invocavit:
Item umb hechtell, nasen und stockvischs ze morgen und abent Gilig Haindl LXXIIII d.

Montag:
Item umb II hechtel, nasen und stockvischs Gilg Haindl LXX d.

Erichtag:
Item umb hechten, nasen und stockvischs Gilig Haindl LXXIIII d.

Mitwochen:
Item umb I hechten, nasen und stockvischs Gilig Haindl LXXIIII d.

[169v:]

Pfintztag:
Item hechten, nasen und stockvischs LXII d.

Freytag:
Item prägsen, stockvischs und krawtvischs[14] Gilg Haindl LX d.

Sambstag:
Item II hechtell Gilg Haindl XXIIII d.

 

Anmerkungen

[1] Der Beginn des umfangreichen und sich über mehrere Jahre hinziehenden Prozesses war am 15. Februar 1471 mit den Klageschriften der drei Kläger: Bistum Freising Offizialat 7, f.41v-45v. Noch 1476 wurden Zwischenurteile, noch nicht das Endurteil, in diesem Fall ausgesprochen, gegen welche die Beklagten zugleich nach Salzburg appellierten. Die folgenden Angaben folgen den Klagen, die bis auf wenige Passagen weitgehend identisch sind.

[2] Bistum Freising Offizialat 7, f. 167v-168v. Das genaue Tagesdatum ergibt sich aus der Wendung ebd., f.167v: [...] Erchtag nach der heyligen drey konig tag [...]; das Jahr erschließt sich aus dem Todeszeitpunkt des Dekans von St. Peter Rudolf von Häringen am 31. Dezember 1465, woraufhin die Beklagten die Amtsgeschäfte der verwaisten Pfarrkirche führten; daraus ergibt sich für den ersten aufgeführten Tag Dienstag, der 07. Januar 1466, Samstag, der 01. März 1466, für den letzten.

[3] Karpfen, Fischsorte.

[4] Hecht, Fischsorte.

[5] Nase, Fischsorte.

[6] Stockfisch, Art der Haltbarmachung.

[7] Vermutlich kleine Hechte, Fischsorte.

[8] Durch Linien kenntlich gemacht bezieht sich der Name Poldner auch auf diese Zeile.

[9] Äsche, Fischsorte.

[10] Renke, Fischsorte.

[11] Brachse, Fischsorte.

[12] Unklar, ob sich dies auf die Fischsorte Bachforelle oder eine Zubereitung durch Backen bezieht.

[13] Nach Carl Meichelbeck: Chronicon Benedictoburanum II, Benediktbeuern 1751, S. 215 Renke von etwa drei Jahren; Alternative wäre ein Rögling, also ein weiblicher Fisch mit Rogen.

[14] Vermutlich eine Art der Zubereitung.

 


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