DFG-Projekt "Eheprozesse vor dem Freisinger Offizialat im späten Mittelalter"
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Leidensgeschichte eines Ehemanns

(Maximiliane Berger)

Am 1. April 1478 bot sich dem Gerichtspersonal des Offizialatsgerichts Freising ein Schauspiel mit illustren Beteiligten: Johannes Schaffer, in den Akten als Marstaller und Familiar Herzog Alberts IV. von Bayern-München ausgewiesen, erwirkte die Trennung von seiner Frau Elisabeth1. In den sieben Jahren ihrer Ehe hatte sie zumindest vier, hier aktenkundig gewordene, Liebhaber gehabt. In der Niederschrift der Schilderung des Klägers sticht besonders die Rolle der Öffentlichkeit hervor, sei es durch Zeugenschaft, als Mediationsforum, durch Druckausübung, oder als Informationsträger.

Als Johannes Schaffer zum ersten Mal seine Frau mit einem Liebhaber - zu diesem Zeitpunkt ein Heinrich Häfner - ertappte, habe nur die prompte Flucht Häfners einen Mord verhindert. Erst die Fürsprache von Verwandten des Paares (ad petitionem amicorum) habe zu einer Versöhnung geführt, nachdem Elisabeth Schaffer versprochen hatte, sich in Zukunft ehrbar zu verhalten und sich nicht anderen Männern preiszugeben (prostituere). Im zweiten von Schaffer geschilderten Fall ist von der „Mordswut“ des betrogenen Gatten keine Rede mehr. Elisabeth Schaffer habe öffentlich eine Beziehung mit einem gewissen Balthasar, Sekretär Herzog Christoph des Starken von Bayern-München, unterhalten, und zwar so öffentlich, dass auch der Kläger und seine amici es nicht mehr ignorieren konnten. Dadurch gerieten Schaffer und Balthasar in Feindschaft, die, so betont der Kläger, Leib und Leben in Gefahr brachte. Abermals sind es die Fürsprachen vieler viri honesti, die schließlich zu einer Versöhnung der Ehepartner führen. Und abermals habe Elisabeth Schaffer all ihre Versprechen vergessen - die Geschichte wiederholte sich mit einem Herrn Ecker, und ein weiteres Mal mit Johannes Kirchmair. Diese Beziehung habe Elisabeth Schaffer den Ruf einer impudica mulier eingetragen, die ganze Stadt habe davon gewusst, sodass Schaffer keinen anderen Ausweg mehr sah, als Johannes Kirchmair vor den Münchner Stadtmagistraten zu konfrontieren. Dieses öffentliche Entgegentreten tat jedoch dem öffentlichen Ehebruch keinen Abbruch. Schließlich überraschte Schaffer in Begleitung einiger Gefährten und Anhänger das Liebespaar und tötete Kirchmair. Über nähere Umstände und Folgen dieser Tat schweigen die Offizialatsgerichtsakten. Was in diesem Kontext vielmehr von Bedeutung war, war das weitere Betragen Elisabeth Schaffers, die ihren Mann verließ und sich, so Schaffer, in mehreren Städten und Dörfern, vor allem aber in Augsburg, in Bordellen feilbot und öffentlich als meretrix bekannt wurde. Die Schilderung des Klägers erreicht daraufhin ihren Höhepunkt, denn darüber hinaus fürchte er, seine Frau versuche, ihn zu vergiften, habe ihm sogar bereits ein verdächtiges Pulver gegeben. Elisabeth Schaffer ihrerseits gibt in ihrer wesentlich kürzeren Aussage ihre Ehebrüche - den mit Herrn Ecker ausgenommen - zu, bestreitet allerdings die unterstellte Giftmischerei. Sie zeigt sich reuig und bittet ihren Mann um Vergebung. Der vorsitzende Richter Heinrich von Schmiechen gab der Klage noch am selben Tag statt und trennte die eheliche Gemeinschaft.

 

1 Bistum Freising, Offizialat 14, f.77v.


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